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Der Einfluss der Luftverschmutzung auf die Coronavirus-Pandemie

Könnte die Luftverschmutzung die Übertragungsgeschwindigkeit des Coronavirus beeinflusst haben? Bisherige Studien zeigen, dass sich das Virus in Regionen mit hoher Luftverschmutzung schneller verbreiten und eine höhere Sterblichkeitsrate verursachen konnte. Erfahre mehr über aktuelle Forschungsergebnisse zu diesem Thema.

 

Hat die Luftverschmutzung die Ausbreitung des Coronavirus beschleunigt?

Die schnelle Übertragung des SARS-CoV-2-Virus zwang betroffene Länder zu einer vollständigen häuslichen Isolation und einer drastischen wirtschaftlichen Stilllegung. Der Mangel an Schutzmaßnahmen, eine unzureichende Infrastruktur im Gesundheitswesen und vor allem die fast völlige Hilflosigkeit gegenüber der Virusverbreitung haben gezeigt, dass die Welt auf eine solche Krise nicht vorbereitet war.

 

Doch hat die von uns geschaffene Umwelt dazu beigetragen, dass sich das Virus noch schneller verbreiten konnte? Könnte eine übermäßige Nutzung natürlicher Ressourcen in Kombination mit umweltschädlichen Heizmethoden, intensiver Industrieproduktion und Verkehr dazu geführt haben, dass die Pandemie so dramatische Auswirkungen hatte?

 

Mehrere Wissenschaftler weltweit haben die Hypothese aufgestellt, dass Luftverschmutzung – insbesondere Feinstaubbelastung – die Verbreitung des SARS-CoV-2-Coronavirus begünstigt haben könnte. Beeinflussen hohe Schadstoffkonzentrationen zudem den schwereren Krankheitsverlauf bei infizierten Personen? Um diese These endgültig zu bestätigen oder zu widerlegen, sind weitere wissenschaftliche Studien erforderlich. Heute präsentieren wir die bisherigen Erkenntnisse, die auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und der Ausbreitung des Coronavirus hinweisen.

 

Umweltverschmutzung und Epidemien

Seit Jahren warnen Experten davor, dass die Zerstörung der biologischen Vielfalt, die zunehmende Urbanisierung und die Globalisierung die Übertragung unbekannter Viren von Tieren auf den Menschen begünstigen können.

 

Anfang März 2020 stellte Professor Leonardo Setti von der Universität Bologna die Hypothese auf, dass es eine Korrelation zwischen hoher Luftverschmutzung in bestimmten Regionen Italiens und der hohen Zahl bestätigter COVID-19-Fälle geben könnte. Der Wissenschaftler betont, dass diese Annahme auf einer begrenzten Anzahl von Beobachtungen basiert und weitere Forschung erforderlich ist. Dennoch lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die möglichen Zusammenhänge zu werfen.

 

Zwischen dem 10. und 29. Februar 2020 wurde in der Poebene in Italien eine hohe Konzentration von PM10-Feinstaub in der Luft gemessen. Es wird vermutet, dass die Luftverschmutzung nicht nur als Infektionsvektor – also als Faktor, der die Übertragung des Coronavirus beschleunigt – gewirkt haben könnte, sondern auch den Krankheitsverlauf verschlimmerte.

 

Einfluss von PM2,5-Feinstaub auf das Coronavirus SARS-CoV-2
Feinstaub PM2,5 als Infektionsvektor

 

Feinstaubpartikel in verschmutzter Luft können als „Träger“ für Viren wirken und ihre Verweildauer in der Luft verlängern. Dies bedeutet, dass gesundheitsschädliche PM2,5- und PM10-Partikel die Verbreitung des Virus erleichtern können.


Luftverschmutzung und erhöhte Sterblichkeit

In Bezug auf diese These erinnert Giuseppe Onufrio, Direktor von Greenpeace Italien, daran, dass die hohe Luftverschmutzung in der Lombardei kein neues Problem ist. Die von der Europäischen Umweltagentur (EEA) veröffentlichten Jahresberichte zur Luftqualität zeigen, dass eine erhöhte Sterblichkeit mit einer hohen Konzentration von Schadstoffen wie PM2,5, NO2 und O3 zusammenhängt. In Italien werden jährlich bis zu 76.000 Todesfälle mit Umweltverschmutzung in Verbindung gebracht, wobei insbesondere die Belastung durch PM2,5-Feinstaub als Hauptursache gilt. Die von der EEA veröffentlichte Umweltverschmutzungskarte bestätigt die hohe Konzentration von PM2,5-Feinstaub in der Poebene. Diese Region ist stark industrialisiert und dicht besiedelt, was die Emissionen von Schadstoffen weiter erhöht.

 

Europa-Karte der PM2,5-Luftverschmutzung
Europa-Karte mit PM2,5-Luftverschmutzung – Europäische Umweltagentur

 

Die erhöhte Sterblichkeit ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um kardiovaskuläre und respiratorische Störungen geht, die durch langfristige Schadstoffbelastung verstärkt werden. Unabhängig vom Verlauf der Coronavirus-Pandemie lässt sich feststellen, dass die Bewohner der italienischen Poebene einem höheren Risiko für verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgesetzt sind, die durch Luftverschmutzung verursacht werden. Bei einer COVID-19-Infektion können bestehende Begleiterkrankungen die Genesung erheblich erschweren. Leider zeigen aktuelle Statistiken, dass Vorerkrankungen einer der Hauptfaktoren für die hohe Sterblichkeit von COVID-19-Patienten weltweit sind. Laut dem italienischen Instituto Superiore di Sanità hatten ein Drittel der an COVID-19 erkrankten Patienten, die zudem Raucher waren, einen schwereren Krankheitsverlauf. Das Risiko einer intensivmedizinischen Behandlung, einschließlich mechanischer Beatmung, war bei diesen Patienten doppelt so hoch.

 

Italien – das Epizentrum der Coronavirus-Pandemie

Eine große Gruppe von Forschern untersucht derzeit den direkten Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und der Verbreitung des Coronavirus. Die folgende Karte (Position Paper) zeigt die PM2,5-Feinstaubbelastung in Italien im Februar 2020. Sie verdeutlicht, dass die Luftverschmutzung in Norditalien während der Tage mit besonders schnellen Infektionsanstiegen sehr hoch war.

 

PM2,5-Verschmutzungskarte Italiens
PM2,5-Luftverschmutzung in Italien im Februar und März 2020

 

In Italien hat die Società Italiana di Aerosol (IAS) umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen der Infektionsrate und der Luftverschmutzung zu klären. In einer offiziellen Mitteilung hat die Organisation zahlreiche Forscher aus Italien und dem Ausland ermutigt, weitere Studien in diesem Bereich durchzuführen. Wissenschaftler untersuchen außerdem, ob meteorologische Bedingungen, die für Norditalien typisch sind (niedrige Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit), das Überleben des Virus begünstigen könnten.

 

Luftverschmutzung und andere Virusinfektionen

Ein von italienischen Wissenschaftlern veröffentlichter Bericht Position Paper - Relazione circa l’effetto dell’inquinamento da particolato atmosferico e la diffusione di virus nella popolazione zeigt, dass frühere Studien bereits eine starke Korrelation zwischen hohen Feinstaubkonzentrationen in der Luft und verschiedenen Virusarten nachgewiesen haben:

 

  • Vogelgrippe – Diese Krankheit wird von Hausgeflügel auf den Menschen übertragen. Meist traten Infektionsherde in großen Geflügelfarmen auf, in denen schlechte hygienische Bedingungen herrschten. Studien aus dem Jahr 2010 zeigten, dass sich die Vogelgrippe durch Sandstürme in Asien über große Entfernungen verbreiten konnte. Besonders wichtig war der Nachweis einer exponentiellen Korrelation zwischen der Anzahl der Infektionen und den Konzentrationen von PM10- und PM2,5-Feinstaub.

 

  • Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV) bei Kindern (2016) – Diese Krankheit führt bei Kindern zu Bronchiolitis oder Lungenentzündung. Wissenschaftler stellten einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung des Virus und der Feinstaubbelastung mit PM10 und PM2,5 fest. Das Virus wird durch Partikel tief in die Lunge transportiert. Eine hohe Feinstaubbelastung beschleunigt somit die Infektionsausbreitung.

 

  • Masern – Studien aus dem Jahr 2017 zeigten, dass es in 21 chinesischen Städten in den Jahren 2013-2014 unterschiedliche Infektionsraten gab. Wissenschaftler fanden heraus, dass höhere Konzentrationen von PM2,5- und PM10-Feinstaub mit einer erhöhten Anzahl von Masernfällen korrelierten. Um die Ausbreitung des Masernvirus einzudämmen, empfahlen Forscher Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubkonzentration in der Luft.


Luftverschmutzung und die SARS-Epidemie

Der Einfluss der Luftverschmutzung auf den Verlauf von Krankheiten ist seit langem ein Thema der Forschung. Besonders relevant für die aktuelle Pandemie sind die Erkenntnisse aus der SARS-Epidemie von 2002. Diese Epidemie begann ebenfalls in China, als das Virus vom Tier auf den Menschen übersprang. Insgesamt wurden 8.096 Infektionen und 774 Todesfälle registriert. Es stellte sich heraus, dass die Sterblichkeitsrate in verschiedenen Regionen Chinas unterschiedlich hoch war. Eine Studie der School of Public Health an der UCLA (University of California at Los Angeles) in Zusammenarbeit mit drei chinesischen Experten ergab, dass die Sterblichkeit in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung signifikant höher war. Das Risiko eines tödlichen Verlaufs war dort bis zu doppelt so hoch.

 

Die Wissenschaftler betonen, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind, um diese Hypothese endgültig zu bestätigen. Im Zusammenhang mit der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie sind diese Erkenntnisse jedoch ein wichtiger Hinweis darauf, dass es eine Korrelation zwischen der Luftverschmutzung und dem Infektions- sowie Sterberisiko von COVID-19-Patienten geben könnte.

 

Mädchen, das unter städtischem Smog leidet
Luftverschmutzung kann den Verlauf bestimmter Virusinfektionen verschlimmern

 

Luftverschmutzung und saisonale Grippe

Besonders relevant sind die neuesten Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2019, die auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und grippeähnlichen Erkrankungen (ILI – Influenza-like Illness) in Jinan, China, hinweisen (Quelle: https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-019-7607-2).

 

Jinan ist die Hauptstadt der Provinz Shandong in China mit einer Fläche von 7.998 km2 und einer Bevölkerung von 6,33 Millionen Menschen. Diese Provinz gilt als wichtiger Verkehrsknotenpunkt sowie als Finanz-, Kultur- und Bildungszentrum in Ostchina. Die rasante industrielle Entwicklung und der stark gestiegene Verkehr haben die Umwelt erheblich belastet, sodass die Luftverschmutzung dort eine der höchsten in allen chinesischen Städten ist. Während der Untersuchungszeit (2016–2017) wurden täglich Daten zu Krankheitsfällen aus städtischen Krankenhäusern sowie zur Konzentration verschiedener Luftschadstoffe gesammelt:

  • PM2,5
  • PM10
  • Schwefeldioxid (SO2)
  • Kohlenmonoxid (CO)
  • Ozon (O3)

Die Wissenschaftler stellten fest, dass Feinstaubpartikel die Haftung von Viren an den Zellen der Atemwegsschleimhaut erhöhen und dazu führen können, dass Schadstoffe tiefer in die Lunge eindringen. Die Studie in Jinan bestätigte unter anderem eine positive Korrelation zwischen hohen PM2,5-Konzentrationen und grippeähnlichen Erkrankungen.

 

Bekämpfung von COVID-19 und Luftverschmutzung

Angesichts des derzeitigen Ausmaßes der Pandemie reicht eine Verbesserung der Luftqualität nicht aus, um Infektionen zu stoppen. Die wirksamste Maßnahme bleibt die soziale Isolation, um eine schnelle Übertragung des Virus zwischen Infizierten zu verhindern. Dennoch müssen wir für die Zukunft Lehren aus der aktuellen Situation ziehen. Die Umweltzerstörung und Luftverschmutzung können in der Zukunft ähnliche Krisen begünstigen. Der Schutz des Klimas ist keine freiwillige Entscheidung, sondern eine Verpflichtung.

 

Auch wenn die Pandemie kurzfristig positive Auswirkungen auf die Umwelt hatte, müssen wir uns bewusst sein, dass diese Verbesserungen nur vorübergehend sind. Die Stilllegung von Industrieanlagen, die Reduzierung des Flug- und Autoverkehrs sowie die Einschränkung der Konsumaktivitäten führten in wenigen Wochen zu spürbaren Effekten. Kristallklares Wasser in den Kanälen von Venedig, blauer Himmel über chinesischen Städten, das Wiederaufleben von Pflanzenarten in Gebieten, die zuvor unter touristischem Abfall litten – all dies zeigt, wie sensibel das Ökosystem auf eine reduzierte Umweltbelastung reagiert. Doch es wäre naiv zu glauben, dass dieser Zustand von Dauer sein wird. Um die Weltwirtschaft aus der Rezession zu führen, werden die kommenden Monate nach dem Ende der Pandemie entscheidend für die Umwelt sein.

 

Sorgen wir für die Luftqualität, die wir atmen

Wir stehen noch am Anfang der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Einfluss der Luftverschmutzung auf die Ausbreitung des Coronavirus. Derzeit konzentriert sich die Forschung auf die Bekämpfung der Pandemie – die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen. Die Untersuchung der genauen Korrelation zwischen Luftverschmutzung und der Übertragungsrate von SARS-CoV-2 wird noch Zeit benötigen. Unabhängig von den Ergebnissen dieser Studien wissen wir bereits, dass verschmutzte Luft schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann. Deshalb sollten wir – im Rahmen unserer Möglichkeiten – darauf achten, dass die Luft, die wir atmen, so sauber wie möglich bleibt.

 

Siehe auch:

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